Pizza-Tester, Sportwetten-Fan, Twitter-Instanz: Große Klappe, kaum Ahnung: Wie David Portnoy Millionen Amerikaner in Aktien treibt
Vor allem junge Amerikaner haben durch die Corona-Krise angefangen, an der Börse zu zocken. Oft mit wenig Erfahrung kaufen sie Aktien wie verrückt. Angeheizt wird die Stimmung vor allem durch einen Mann: David Portnoy, der auf eine bunte Vergangenheit blickt.
Dreimaliger Bienenstich-Überlebender – so brüstet sich David „Dave“ Portnoy auf Twitter an. Vor der Coronavirus-Krise kannten die meisten Amerikaner Portnoy als den typischen „Internet-Bro“, der auf Sport wettet, Sport kommentiert und zwischendurch mal Pizzas testet. Zuletzt rezensierte Portnoy die Pizzeria Alfredo's Pizza Cafe in der US-Kleinstadt Scranton. Sein Urteil: „Der Käse ist dicker auf dieser Pizza, sehr typisch für die Region, sehr gut - 7.4 Punkte.“
Der bekannteste Hobby-Spekulant der Welt
Wenn Portnoy nicht gerade Pizza isst, geht es hauptsächlich um Sport. Doch mit der Pandemie fanden Football, Basketball, Golf und dergleichen ein Ende, zumindest vorläufig. Und wie Millionen anderer Amerikaner saß Portnoy im Lockdown fest – bis Portnoy die Börse für sich entdeckte. Mittlerweile dürfte Portnoy, auch bekannt unter seinem Alter Ego „El Presidente“, der bekannteste Hobby-Spekulant der Welt sein.
Auf Twitter heizt Portnoy seinen Fans praktisch tagtäglich an und treibt sie in den Markt. Seine wichtigste Regel beim Trading: „Aktien gehen nur nach oben“. Die einzige andere Regel seiner Investmentstrategie: „Wenn du Zweifel hast, siehe Regel Eins“. Erst am Dienstag wiederholte Portnoy dieses Mantra nochmal: „Aktien gehen nur nach oben. Sagt es und meint es auch. Schließt euch der Revolution jetzt an.“
Im gleichen Atemzug wetterte Portnoy auch einmal mehr über die „Suits“, die Anzugträger der Wall Street: „Ihr habt mich lächerlich gemacht, ausgelacht, verspottet, ihr sagtet, es sei gefährlich. Doch jeden Tag ist es das gleiche: Wir killen euch, wir vermöbeln euch, wir schlagen.“ Portnoy meint damit das Börsen-Establishment, welches seine Meinung beispielsweise bei „CNBC“ zum Besten gibt. Doch während die vor einem neuen Crash zittern, mache er täglich ein „sechsstelliges“ Plus.
„Die müssen denken, der ist obdachlos“
Portnoys Regeln lassen schon erahnen, dass hier kein Profi am Werk ist. Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge hat Portnoy vor dem Corona-Crash nur ein einziges Mal eine Aktie gekauft. Zum Daytrader mutierte Portnoy erst durch die Langeweile des Lockdowns. Davor aber hat der heute Mittvierziger schon eine illustre Karriere hingelegt.
Nach seinem Abschluss in Bildung an der Universität Michigan im Jahr 1998 kehrte Portnoy in seine Heimat Massachusetts zurück und arbeitete bei einer IT-Firma in Boston im Vertrieb. Damals aber stand schon fest, dass Portnoy doch lieber selbst ein Unternehmen gründen wollte, wie aus einer kurzen Biographie Portnoys auf seiner Webseite hervorgeht.
Nach zwei gescheiterten Anläufen kam dem Sportwetten-begeisterte Portnoy die richtige Idee – eine eigene Zeitung für Sportwetten, „für den einfachen Mann, vom einfachen Mann“. Im Herbst 2003 ging das Blatt an den Start, die ersten Auflagen verteilte Portnoy auf offener Straße selbst – „die morgendlichen Pendler und unwissenden Passanten haben vermutlich gedacht, dass er [Portnoy] obdachlos ist“, heißt es in der Biographie.
2007 folgte schließlich der Blog „Barstool Bets“, der heute neben dem Gründer Portnoy noch weitere Blogger beheimatet. Portnoy hat sein Imperium zwar in einer Nische aufgebaut, klein ist es aber längst nicht mehr. Bloomberg zufolge investierte der Casino-Konzern Penn National Gaming im Januar 163 Millionen US-Dollar in Anteile an „Barstool Bets“. Portnoy selbst veranschlagt sein Vermögen auf über 100 Millionen Dollar, an der Börse zockt derzeit er nach eigenen Worten mit fünf Millionen Dollar.
Portnoys Jünger feiern die brachiale Rhetorik
Erfolgreich ist „Barstool Bets“ aber offenbar seit Jahren. In einem Artikel der „Michigan Daily“ aus dem Jahr 2013 hieß es, die Seite habe monatlich 75 Millionen Aufrufe und sei extrem profitabel. „Portnoy hat seine Erfahrung in der Vermarktung und dem Vertrieb genutzt, um nun voll von der ,Bruderschafts'-Kultur von 18- bis 35-jährigen Männer zu profitieren“, schrieb die „Michigan Daily“ damals.
Im Webseiten-Ranking Alexa kommt Portnoys Seite weltweit immerhin auf den Platz 203.385. Hier ist auch deutlich zu sehen, wie massiv das Interesse an Portnoy zuletzt gewachsen ist – noch im April rangierte „Barstool Bets“ nur auf Platz 325.740.
Dank seiner vorigen Beliebtheit hat sich Portnoy in Sachen Trading schnell zu einer Instanz bei Twitter gemausert. Seine 1,5 Millionen Follower dort feiern die brachiale Rhetorik gegen die Wall Street. Als Finanzanalyst Gary Shilling am Montag bei „CNBC“ vor einem Crash wie in den 1930er Jahren warnte, witzelte Portnoy in Anspielung auf Shillings Alter: „Eins muss man dem Typen lassen, er war damals schon am Leben.“
Kleinanleger schlagen Börsenprofis
Fakt ist, dass Portnoy und seine Anhänger zumindest aktuell im Recht sind. Der breite Markt, und insbesondere die von Anlegern favorisierten Tech-Aktien, haben zuletzt enorm hinzugewonnen. Aus dem Tief heraus machten der US-Leitindex Dow Jones sowie der marktbreite S&P 500 42,1 respektive 43,5 Prozent wieder wett.
Zwar notieren beide Indizes auf Jahressicht noch moderat in der Verlustzone. Doch der allergrößte Teil der Crash-Verluste ist aufgeholt. Unterdessen sprinten die Tech-Aktien wieder von Rekord zu Rekord. Der Nasdaq 100 hat aus dem März-Tief heraus 55,4 Prozent hinzugewonnen und notiert beachtliche 20,51 Prozent höher als Anfang Januar.
Gemessen an einzelnen Favoriten schlugen die Kleinanleger die Profis zuletzt auch. Davon berichtete das Wirtschaftsmagazin „Fortune“ Mitte Juni unter Verweis auf eine Analyse der Investmentbank Goldman Sachs. So hätten die Lieblinge der Kleinanleger seit Mitte März 61 Prozent zugelegt, während die Hedgefonds-Favoriten nur 45 Prozent hinzugewannen.
Kein Papier zu riskant - nicht mal die Aktien von bankrotten Firmen
Verantwortlich für diese Performance sind auch Treiber wie Portnoy. Für „El Presidente“ scheint indes kein Papier zu riskant – er zockt einfach weiter. Ein Beispiel sind die Exzesse bei der Hertz-Aktie. Laut Bloomberg eröffneten Kleinanleger allein in der Trading-App Robinhood Anfang Juni 96.000 neue Positionen in der Aktie. Das Papier schoss daraufhin massiv hoch – obwohl der Autovermieter gut zwei Wochen zuvor Chapter-11-Insolvenz angemeldet hatte.
Marktbeobachter vermuten auch hier Portnoy und Konsorten als treibende Kraft. „Neue Plattformen für Daytrader könnten diese Entwicklung fördern. Da sind Kräfte am Werk, die wir nur beobachten können“, kommentierte ein Anwalt des Unternehmens der „Financial Times“ zufolge vor dem Insolvenzgericht. Ein Anlagestratege wiederum sagte gegenüber Bloomberg nur, dass die Zocker bei Hertz „in ein fallendes Messer greifen“.
Portnoys Stimmungsmache bleibt natürlich nicht ohne Kritik. Neben US-Börsenkommentatoren warnte auch der deutsche Investor und Börsenexperte Dirk Müller, bekannt als „Mr. Dax“, vor Portnoys halsbrecherischem Trading. „Millionen Amerikaner, die vorher ,Fortnite' gespielt haben, hockten im Lockdown daheim und hatten Zeit und Geld übrig“, sagte Müller bei einem Online-Seminar von FOCUS Online und Finanzen100.
Diese Masse an Zockern habe Gewicht am Markt, mahnte Müller. Als Beweis führte der Börsenprofi die wachsende Nutzerzahl bei Robinhood an. Über die Trading-App können US-Anleger mit kleinsten Beträgen und bei minimalen Gebühren Aktien handeln. Seit dem Tief hat sich die Zahl der Robinhood-Nutzer von etwa vier auf über zwölf Millionen verdreifacht. „Wenn man mal ausrechnet, wenn diese zwölf Millionen jeder nur tausend Dollar investieren, sind das schon zwölf Milliarden Dollar … wenn das plötzlich bei dünnem Handel in die Börsen fließt, kann das die Märkte richtig bewegen“, so Müller.
„Mr. Dax“: Portnoy betreibt nichts anderes als Frontrunning
Eine solche Flut an risikobereiten Börsenlaien habe man noch nie gesehen, sagte Müller weiter. Ähnliche Entwicklungen gab es dem Profi zufolge nur während der Dotcom-Blase der frühen 2000er. Das sei auch das Werk von selbsternannten Anführern der Zocker-Revolution wie Portnoy – „der Pure Wahnsinn“, so Müller, der in der aktuellen Hausse das Aufblähen einer Blase sieht, deren Zerplatzen im Herbst noch einmal zu kräftigen Abschlägen führen könnte.
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Müller kritisierte Portnoy zudem, weil „der Kollege und seine Jungs nichts anderes als Frontrunning machen“. „Frontrunning“ und „Scalping“ sind Techniken, bei denen Broker und Geldverwalter sich vorher in Aktien positionieren, die sie für ihre Kunden kaufen sollen, oder aber gegenüber anderen Anlegern gezielt Aktien anpreisen, die sie schon im Depot haben. Meist handelt es sich um „Penny Stocks“, Aktien mit niedrigem Preis und geringem Volumen. Strömen dann weitere Anleger in die Papiere, zischt der Kurs ab. Ebenso schnell kann der Kurs aber wieder abstürzen – wie etwa bei Hertz – und spät eingestiegene Trader bleiben auf den Verlusten sitzen.
Natürlich ist diese Art der Kursmanipulation in den meisten Ländern illegal. Profi-Analysten müssen immer kenntlich machen, wenn sie selbst diese Papiere besitzen, die sie bewerten. Bei Privatpersonen wie Portnoy ist das eine andere Sache – „El Presidente“ verkündet seiner Anhängerschaft, was er will.
Immerhin: Mindestens an einer Stelle warnt Portnoy seine Jünger vor sich selbst. Auf Twitter steht in seiner Beschreibung: „I’m not a financial advisor. Don’t trust anything I say about stocks.“ – „Ich bin kein Finanzberater. Vertraut auf nichts, was ich über Aktien sage.“
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